Aktuell betreibt die Politik Wahlkampf mit dem Thema Sicherheit. Dabei geht es um vermeintliche Sicherheit, hinter der sich rassistische Hetze verbirgt, um einen Keil zwischen all diejenigen zu treiben, die auf Sicherheit angewiesen sind. Das alltägliche Leben von uns Arbeiter:innen wird allerdings in den letzten Jahren immer mehr verunsichert: Durch Inflation, Arbeitslosigkeit, wachsende Armut und Perspektivlosigkeit, Waffenexporte auf Rekordhoch und nicht zuletzt durch Einschränkungen des Streikrechts, wie CDU, FDP und AfD es für zentrale Sektoren der Wirtschaft fordern.
In dieser Lage starteten mit der ersten Verhandlungsrunde am 24. Januar Hunderttausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst in ihre Tarifauseinandersetzung. Die erste Verhandlungsrunde endete ergebnislos. Verd.i rief die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes schon letzte Woche zu Warnstreiks auf. Am Donnerstag den 13.02.25 streiken in Hamburg erstmalig alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gemeinsam mit den Beschäftigten des TV-L.
Dieser Text nimmt sich die TV-ÖD-Runde zum Anlass, die fortschreitende Einschränkung des Streikrechts aufzuzeigen und Vorschläge zu einer Gegenbewegung zu formulieren.
In der Vergangenheit wurden immer wieder Streiks von der Arbeitgeberseite gestoppt, indem sie vor das Arbeitsgericht gegangen sind und einstweilige Verfügungen durchgesetzt bekommen haben. Ein Streik oder bestimmte Streikmaßnahmen können dadurch gerichtlich untersagt werden. Teilweise richten sich die einstweiligen Verfügungen gegen ver.di, zum Teil gegen einzelne ver.diSekretäre bzw. Arbeitskampfleitungen und/oder einzelne Streikende.
Somit wird das Grundrecht auf Streik zeitweise ausgesetzt. Einstweilige Verfügungen werden deshalb schon immer häufiger vor Beginn eines Arbeitskampfes eingesetzt.
So werden Kämpfe geschwächt, bevor der Streik wirksam werden kann. Die Arbeitsgerichte entscheiden sich meist im Sinnes des Arbeitgebers und der deutschen Kapitalinteresse.
Diese Streikverbote untergraben nicht nur die interne Gewerkschaftsdemokratie, sondern sind auch ein fundamentaler Angriff auf die Arbeiter:innenklasse. Genau wie das Unternehmertum und die Staatsbürokratie ihre eigenen Kampfmittel gegen unser Streikrecht einsetzt, durch mediale Hetze, richterliche Klagen und gar nun gesetzliche faktische Verbotsverfahren, ist es notwendig, dass wir uns als Arbeiter:innen und Gewerkschaften mit unseren eigenen Methoden und Druckmitteln zur Wehr setzen. Nun ist die Frage, wie der Kampf gegen diese reaktionären Angriffe aussehen soll:
Falls wir als Gewerkschafter:innen keinen allgemeinen Kampf gegen dieses Vorhaben aufnehmen, haben wir verloren. Die aktuelle Tarifrunde im öffentlichen Dienst (TVöD) 2025, die insgesamt Millionen Beschäftigten betrifft, kann eine wichtige Rolle darin spielen dieses Vorhaben zurückzuschlagen. Für die jetzige TVöD – Runde 2025 bedeutet das, dass wir die Streiks für mehr Lohn und weniger Arbeitszeit mit einer politischen Protestbewegung für das Streikrecht verbinden müssen. Um das komplette Potenzial der Streiks auszunutzen, müssen kämpfende Sektoren der GEW, TVöD, TV-L, IGMetall und weitere zusammengeführt werden. Die kommenden Tarifkämpfe brauchen auch soziale Forderungen, um möglichst viele Schichten der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend hinter sich zu holen.
Es braucht Milliardeninvestitionen in Bildung, Gesundheit, Klima und Soziales, statt Militarisierung, sowie ein Ende aller Kürzungsvorhaben im Bundeshaushalt. Für den maximalen Druck auf die Regierung werden einzelne Warnstreiktage oder Demonstrationen jedoch nicht ausreichen. Bei der vergangenen TVöD-Runde, an der sich 500.000 Beschäftigte beteiligten, haben wir gesehen, dass es ohne Erzwingungsstreiks nicht möglich war, einen vollen tabellenwirksamen
Inflationsausgleich durchzusetzen. Aufgrund des mangelnden Drucks des Streiks konnte der Arbeitgeber an seinem Angebot mit Einmalzahlungen festhalten. Es braucht einen gemeinsamen Kampf der Arbeiter:innen in unterschiedlichen Betrieben und Branchen, denn nur so kann genügend Druck aufgebaut werden.
Wie das aussehen kann, machen verschiedene Solidaritätszusammenschlüsse deutlich. Bei Streiks in den Krankenhäusern der letzten Jahre gab es immer eine gemeinsame Unterstützung mit den Patient:innen, Nachbarstrukturen, umliegenden Geschäften und Betrieben anderer Branchen wie z:B Hafen, Kitas, Stadtreinigung, Flughafenpersonal usw. die die Streiks auf unterschiedliche Weise unterstützt haben.
Zudem muss die freiwillige Schlichtungsvereinbarung gekündigt werden. Die Schlichtungsvereinbarung, wurde im Jahre 2011 von ver.di, Bund und Arbeitgeberverband freiwillig unterschrieben. Sie sieht vor, dass ver.di in eine Schlichtung gehen muss, sobald die Arbeitgeber:innen dazu aufrufen. Somit können Arbeitgeberverbände jederzeit Streiks unterminieren und Urabstimmungen für unbefristete Streiks hinauszögern. Diese Vereinbarung ist somit ein Geschenk seitens der ver.di-Führung an die Bundesregierung im Sinne der Sozialpartnerschaft. Es ist wichtig, dass die betriebliche Mitbestimmung großflächig ausgebaut wird.
Wir dürfen nicht vergessen, dass es viele Bereiche gibt, in denen wichtige Arbeitnehmerrechte keine Rolle spielen. Es sind Betriebsräte, die vielerorts für die Einhaltung von Arbeitsrechten in ihren Betrieben einstehen. Umso fataler ist es, dass nach Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung mittlerweile deutlich unter 40 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb mit Betriebsrat arbeiten. Gleichzeitig wachsen Bereiche, in denen Mitbestimmungsstrukturen erst aufgebaut werden müssen.
Neben Betriebsräten müssen Jungend- und Ausbildungsvertretungen gestärkt werden. In jedem Betrieb müssen neben Betriebsräten nachhaltige Betriebsgruppen und Vertrauenskörper aufgebaut und gestärkt werden.
Auch das Verständnis für Arbeitskämpfe muss sich bei uns Arbeiter:innen verändern. Jeder tägliche Kampf für eine bessere Personalbesetzung im Krankenhaus oder in den Kitas oder der Kampf keine unbezahlten Überstunden zu machen oder gegen Kündigungen von Kolleg:innen zu kämpfen, ist ein Kampf gegen den Arbeitgeber und seine Missachtung unserer Arbeitsbedingungen. In den letzten Jahren gab es immer wieder Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber. Ob mit Petitionen, Verweigerung von einzelnen Tätigkeiten, Verweigerung von Mehrarbeit oder das Verhindern von Kündigungen einzelner Kolleg:innen usw. Auch der Kampf für bessere Ausbildungsbedingungen in den Betrieben und Berufsschulen wird immer bedeutsamer.
Betriebsversammlungen müssen auf der Tagesordnung stehen, erst recht in Betrieben, die sich auf unterschiedlichen Standorten aufteilen. Sie müssen dafür genutzt werden, um über die Perspektiven des Streiks, die mediale Hetze usw. zu diskutieren. Urabstimmung und Forderungsbefragungen sind ein erster richtiger Schritt in Richtung Streikdemokratie, doch sollte auch die Planung und Durchführung, demokratisch und transparent von den Streikenden selbst bestimmt werden, Z.B: etwa indem große und kleine Betriebsversammlungen organisiert werden, in denen offen diskutiert wird und Tarifkomissionsmitglieder:innen und Arbeitskampfleitungen mit imperativen Mandaten ausgestattet werden.
Gleichzeitig stellen die niedrigen Organisierungsgrade der Beschäftigten innerhalb der Gewerkschaft ein Hindernis dar. Die Beschäftigten müssen die Gewerkschaften als ihre Kampforgane verstehen und sich gewerkschaftlich und in Betriebsgruppen organisieren, um ihre Forderungen und Interessen erfolgreich durchzusetzen. Vor dem Streik ist nach dem Streik, der Kampf muss von der Basis dauerhaft geführt werden, nicht nur in den einzelnen Betrieben, sondern auch innerhalb der Gewerkschaften und betriebsübergreifend müssen sich Strukturen entwickeln.
Genauso war es wichtig, in den letzten Tarifrunden die Aktionen zum Frauenkampftag, dem 8. März, mit bundesweiten Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst zusammenzulegen, bedenkt man, dass gerade in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung vorwiegend Frauen beschäftigt sind, die wegen ihrer schlechteren materiellen Lage besonders unter der Krise leiden.
Seit Jahrzehnten weigern sich die Führungen der DGB-Gewerkschaften trotz Generalangriffen wie Hartz IV, Erhöhung des Renteneintrittsalters oder Privatisierungswellen zu Generalstreiks, also gemeinsamen Streiks aller Sektoren der Arbeiter:innenklasse, aufzurufen.
Die Gewerkschaftsbewegung in Deutschland hat nun die Möglichkeit, entweder davor zu kapitulieren oder um ihr Existenzrecht einen Kampf zu führen. Gegen Hetze und Angriffe auf Streiks dürfen wir nicht mit Zurückhaltung und Gehorsam antworten, sondern mit Widerstand und Aufstand. Doch eins ist klar, egal ob Streik in den Kitas, in den Krankenhäusern, bei der Hochbahn oder im Hamburger Hafen, sie ALLE zeigen uns die Wichtigkeit dieser Arbeitskämpfe auf, denn sie demonstrieren die Alternative zu dieser Politik: Statt 100 Milliarden für die Bundeswehr braucht es Milliardeninvestitionen in Bildung und Gesundheit.